Beton kann man nicht essen!

Bürgerinitiative für ein lebenswertes Neu-Eichenberg

Bürgerinitiative für ein lebenswertes Neu-Eichenberg

Seit vielen Jahren wird die Idee eines rund 80 Hektar großen Lo­gistikgebiets zwischen Eichenberg Bahnhof und Hebenshausen voran­getrieben. Die Gemeinde verspricht sich Grund- und Gewerbesteuer sowie Ar­beitsplätze.

Die Lebensqualität für uns als Einwohner würde durch ein erhöhtes Verkehrsaufkommen mit entsprechender Lärmbelästigung sinken, eine ästhetische Abwertung der Landschaft ist zu erwarten. Das ist in Zeiten des demografischen Wandels kontraproduktiv, denn gerade Lebensqualität in ländlichen Regionen ist der Schlüssel zur Ansiedlung von jungen Menschen und dringend gebrauchten Ärztin­nen und Ärzten.

Gesamtgesellschaftlich stellt sich die Frage, ob ein neues Lo­gistikgebiet überhaupt sinnvoll ist (siehe Beitrag Report Mainz). Die in Deutschland vorhandenen Logistikflächen reichen um das Wirtschaftswachstum vieler Jahre abzudecken. Die tägliche Flächenversieglung und Flächenkonkurrenz ist enorm. Schon jetzt können die Klimaziele nicht eingehalten werden.

Die Flächen wurden laut verschiedener Zeitungsartikel am 6.6. an den Großinvestor Dietz AG verkauft. Dieser macht nichts anderes, als solche Flächen zu erschließen und so profitträchtig wie möglich weiterzuvermieten. Dem stehen naturgemäß die Interessen der Einwohner nach Ruhe, guter Luft, wenig Lärm und schöner Landschaft diametral entgegen - sie sind im Gegenteil ein höchst unwillkommener Kostentreiber. Unsere Gemeindevertretung will mit dem gerade zur Debatte stehenden neuen Bebauungsplan den millionenschweren Investor vor Aufwand und Kosten schützen - zu Lasten der Einwohner!

Der Verkauf ist kein Grund den Kopf in den Sand zu stecken! Deshalb haben sich am 25.06.2018 rund 50 kritische Bürger getroffen und eine Bürgerinitiative gegründet. Diese soll gegenüber Investor und Gemeinde die Interessen der Anwohner lautstark und als Gegenpol vertreten. Der Sprecherkreis besteht aus Caroline Benzinger, Britta Mallach und Dr. Christoph Schade. Sie sind über die Adresse kontakt@neb-bleibt-ok.de erreichbar. Zeigen Sie sich bitte solidarisch mit den Einwohnern Neu-Eichenbergs und engagieren Sie sich für die Bürgerinitiative.

Sie finden hier eine Auswahl von Argumenten für und gegen eine Ansiedlung, die wir im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Änderung des Bebauungsplanes gesammelt haben. Einige Argumente sind durch den zwischenzeitlichen Verkauf überholt, andere gelten fort.

 

Pro – was spricht für ein Logistikgebiet?

Öffentliches Interesse an Gewerbeansieldungen: Schaffung von Arbeitsplätzen

Ein Investor, der sich mit einem Gewerbe ansiedelt, kann Arbeitsplätze schaffen. Angesichts der Entwicklungen im Logistikbereich, die zu vollautomatisierten Regallagern hingehen stellt sich jedoch die Frage, in welchem Umfang die Schaffung von Arbeitsplätzen tatsächlich erfolgen wird. Ob sich irgendwelche Zusagen diesbezüglich im Rahmen der Verkaufsverhandlungen werden festschreiben lassen erscheint fraglich.

Auch wäre zu erwarten, dass das von der Gemeinde proklamierte große öffentliche Intresse an der Etablierung des Logistikgebietes zu einer finanziellen Förderung solcher Vorhaben durch Landkreis, Land Hessen, Bund oder EU führen sollten. Davon ist aber bisher nicht die Rede, was unterstreicht, wie groß bzw. klein das Interesse und die Erfolgsaussichten von dieser Seite ist.

Zuzug von Familien / neue Einwohner

Die Gemeinde geht davon aus, dass wenn Arbeitsplätze geschaffen werden, auch ein Zuzug neuer Einwohner nach Neu-Eichenberg erfolgt, die wohnortnah arbeiten wollen. Dem steht entgegen, dass derzeit nur wenige Flächen für Neubauten ausgewiesen sind. Der Neubau setzt zudem finanzkräftige Arbeitnehmer voraus. Da – wie weiter unten beschrieben – Jobs in der Logistikbranche oft prekärer Natur sind, ist nicht davon auszugehen, dass ausreichend finanzkräftige Arbeitnehmer Bauplätze nachfragen (können) werden.

Auch ist in Neu-Eichenberg kein nennenswerter Leerstand von Miet-Wohnungen vorhanden. Zu befürchten ist vielmehr,  dass die Attraktivität der vorhandenen Wohnungen und Häuser – insbesondere in Hebenshausen und Berge – wegen der Beeinträchtigungen durch das Gewerbegebiet abnimmt und vorhandene Wohnungen unvermietbar werden. 

Derzeit sind die Ortsteile Neu-Eichenbergs Pendlerdörfer. Insbesondere die in den letzten Jahren neu zugezogenen Einwohner sind dies gewohnt und nehmen bewußt einen längeren Arbeitsweg in Kauf. Sie genießen aber offenbar im Ausgleich dafür die Naturverbundenheit und das Abseits des städtischen Trubels.

Die Gemeinde Wehnde in Thürignen geht erfolgreich einen anderen Weg um neue Einwohner anzusiedeln. Sie verkauft günstiges Bauland an Familien. Gerade in diesen Zeiten der massiv steigenden Immobilienpreise in den Städten liegt hierin eine Chance: Familien den Hausbau finanzierbar zu machen. Gepaart mit einem attraktiven Nahverkehrsangebot (Bahnhof Eichenberg) und einer kinderfreundlichen Infrastruktur könnte hier ein Konzept entwickelt werden, das – im Gegensatz zur geplanten Ansiedlung eines Gewerbegebietes – für alle Einwohner positive Aspekte bringt und gleichzeitig finanzierbar und nachhaltig ist.

Grund- und Gewerbesteuereinnahmen

Ein potentieller Investor ist steuerpflichtig. Wenn er Gewinne erwirtschaftet hat er Einkommen- und Gewerbesteuern zu zahlen, die auch der Gemeinde zugute kommen. Ob und in welcher Höhe ein Investor Gewinne erwirtschafftet ist unsicher. 

Die Gewerbesteuer wird zudem »gesplittet«, also anhand verschiedener Kriterien, wie der Summe der Arbeitslöhne oder dem Umsatz auf die Gemeinden an denen das Unternehmen Betriebsstätten hat, aufgeteilt. Auch dies macht die Schätzung der Höhe der zu erwartenden Gewerbesteuereinnahmen unsicher.

Weiterhin wird im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs die sogenannte Steuerkraft der Gemeinden zur Berechnung des vom Land an die Gemeinde zu zahlenden Zuschusses herangezogen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass jeder zusätzlich eingenommene Euro Gewerbesteuer auch diesen Zuschuss – der derzeit ca. 700-800T€ beträgt – reduziert. Darüber hinaus gibt es sogar eine Solidaritätsumlage, die besonders finanzkräftige Gemeinden verpflichtet Zahlungen an das Land Hessen zu erbringen.

Sanierung des Gemeindehaushaltes

Die Gemeinde soll an den Überschüssen aus dem Verkauf der Flächen beteiligt werden. Fraglich ist jedoch, ob solche Überschüsse angesichts der starken Konkurrenz beim Verkauf von Gewerbeflächen (z. B. GÖ Siekanger, Kassel, Hessisch Lichtenau) enstehen oder ob vielmehr bis zur Schmerzgrenze finanzielle Zugeständnisse gemacht werden müssen, um die Flächen zu verkaufen.

Beschlossen ist beschlossen

Immer wieder ist von der Gemeinde zu hören, dass das Projekt beschlossen wäre und nicht mehr geändert werden könne. Wenn dem so wäre könnte man sich Politik sparen, denn was einmal demokratisch beschlossen wäre könnte nie wieder neuen Gegebenheiten angepasst werden. Entspricht das der Realität? Die Rechtsgrundlage des Bebauungsplanes ist das Bau-Gesetzbuch (BauGB). Dort wird z.B. in § 8 auch von einer Aufhebung eines Bebauungsplanes gesprochen. Wo läge also das Problem? Es müsste - genau wie die jetzt zur Debatte stehende Änderung - nur demokratisch beschlossen werden. Das gewisse Konsequenzen daran hängen muss selbstverständlich genauso abgewogen werden, wie jetzt bei der Änderung.

Auch wird gerne auf den Beschluss des Bürgerentscheides von 2004 verwiesen, dass eine Planung des "Magna-Park" (!) weiter laufen solle. Beteuert wurde hier unter anderem, dass keine Kosten anfallen würden. Nun fallen Kosten an und ein Magna-Park wird es auch nicht mehr. Mehr noch: Im Zeitraum 2004 bis 2016 sind 1.508 Menschen nach Neu-Eichenberg gezogen und 1.487 fortgezogen (Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt) - bei einer Gemeindegröße von knapp 1.800 Einwohnern (Stand Ende 2017, Website Gemeinde Neu-Eichenberg). Wer der Bürger und Bürgerinnen der Gemeinde wird durch diesen inhaltlich veralteten Beschluss noch repräsentiert?

Contra – was spricht dagegen?

Versiegelung von bestem Ackerland.

Auf der Internetseite http://bodenviewer.hessen.de lässt sich ermitteln, dass die Böden der betroffenen Fläche 70 bis 85 Bodenpunkte aufweisen. Der Bodenpunkte-Index reicht im Normalfall von 7 (sehr schlecht) bis 100 (sehr gut) und bemisst die Qualität der Ackerfläche. Damit gehört die Fläche, die versiegelt werden soll, zum besten Viertel der Ackerböden, die uns deutschlandweit zur Verfügung stehen. Weltweit gesehen gibt es kaum Standorte mit ebensoguten Böden und ähnlich guten klimatischen Bedingungen. Gute Böden sind jedoch die Voraussetzung der Nahrungsmittelproduktion und damit Grundlage unserer Ernährung. Durch verschiedenste von Menschen ausgelöste Prozesse wie Erosion, Versalzung, Wüstenbildung und Versiegelung wird die Ressource Boden weltweit immer knapper. Obwohl in Deutschland beste Bedingungen für die Landwirtschaft bestehen, ist Deutschland zu Zeit Nettoimporteur allein von Futtermitteln von einer Fläche von 2,2 Millionen ha! In Deutschland sind die Böden besonders von Versiegelung betroffen: täglich werden zur Zeit etwa 50 ha versiegelt. Daher hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt bis 2020 die tägliche Versiegelung auf max. 30 ha zu reduzieren und besonders das Bauen auf der »grünen Wiese«, also in Bereichen, die noch außerhalb der Bebauungsgebiete liegen, zu reduzieren. Dazu gibt es viele spannende Informationen auf der Website des Umweltbundesamtes, z. B. unter https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/flaechensparen-boeden-landschaften-erhalten#textpart-1.

Steigende Lärmbelästigung

Ein Logistikgebiet hat den Zweck als Drehscheibe für Warenverkehr zu dienen. Die An- und Abfuhr der Waren erfolgt mit LKW. Angesichts dessen, dass die LKW nicht mehr nur wie bisher die Ortslage Hebenshausen an der Domäne durchfahren, sondern in das Gebiet einbiegen und sich im Gebiet bewegen, wird der Fahrzeug-Lärm erheblich zunehmen. Die Gemeinde hat zwar ein Gutachten zum Lärmschutz erstellen lassen, legt die Einhaltung der Grenzwerte jedoch voll in die Hände des Investors, anstatt pro-aktiv Lärmschutzmaßnahmen vorzusehen. Das heißt, wenn der Investor die Lärmgrenzwerte nicht einhält muss jeder einzelne Bürger sein Recht dem Betreiber gegenüber durchsetzen.

Im bisher noch gültigen Bebauungsplan ist festgelegt, dass maximal 30% der Fläche bebaut werden, solange keine neue Umgehungsstraße für Hebenshausen mit entsprechendem Lärmschutz gebaut wird. Der Bund hat dieses Vorhaben in 2017 aus dem Bundesverkehrswegeplan gestrichen!

Mit der vorgesehenen Änderung des Planes soll nun aber die ganze Fläche bebaut werden können, obwohl keine Anpassungen an der Bundestraße hinsichtlich Lärmschutz und Verkehrskapazität erfolgen werden!

Steigende Emissionen (Stickoxide und Feinstaub)

Der wachsende LKW-Verkehr wird steigende Emissionen von Stickoxiden und Feinstaub mit sich bringen, die die Luft verschmutzen werden. Die Gemeinde hat diese Auswirkungen bisher nicht in den Planungen berücksichtigt ooder quantifiziert. Eine Gesundheitsgefährdung ist damit nicht ausgeschlossen.

Ästhetische Abwertung der Landschaft

Gerade der wunderbare Blick in das Eichsfeld und zum Rusteberg soll mit bis zu 16 m hohen Hallen verbaut werden.

Immense Verschuldung der Gemeinde

Derzeit sind 1,5 Mio. Euro (Stand Sommer 2018:1,1 Mio. Euro) Planungskosten aufgelaufen, was bei einem Bevölkerungsstand von run 1800 Einwohnern bereits rund 830 Euro pro Einwohner ausmacht. Dazu kämen wenn alle Pläne der Gemeinde umgesetzt werden weitere 13 Mio. Euro für die Erschließung und den Erwerb der Flächen. Das wären damit rund 7800 Euro pro Einwohner zusätzlich zu dem, was die Gemeinde schon jetzt an Schulden angehäuft hat. Im Falle eines Scheiterns stünde die Gemeinde damit wohl vor dem finanziellen Aus.

Anfall von Zinsen für das geliehene Geld für die Erschließung

Die Gemeinde will die Flächen bereits jetzt erschließen und sich die dafür anfallenden Kosten über den Kaufpreis der Flächen »zurückholen«. Woher das Geld für die Erschließung kommen soll wird bisher verschwiegen. Anzunehmen ist, dass das Geld per Kredit finanziert werden muss oder soll. Nimmt man 8 Mio. Erschließungskosten und einen Zinssatz von 1,5 % an, würden Zinsen in Höhe von 120.000 Euro pro Jahr anfallen, etwa die Hälfte dessen, was der Kindergarten kostet. Auch über die Finanzierung der Zinsen hat sich die Gemeinde bisher nicht geäußert.

Folgekosten (z. B. Feuerwehr)

Unklar ist welche Folgekosten je nach Nutzung des Logistikgebietes für die Gemeinde entstehen bzw. inwieweit diese direkt vom Investor übernommen werden müssen. So ist steht im Raum, dass die Austattung der Feuerwehr nicht ausreichend sein könnte und Investitionen in Höhe von ca. 750.000 Euro in ein neues Löschfahrzeug nötig sein könnten. Je nachdem welche Güter in den Hallen gelagert werden sollen, kann auch eine weitere kostspielige Aussattung und Ausbildung der Kameraden von Nöten sein, die ebenfalls durch die Gemeinde aus Steuermitteln zu finanzieren wäre.

Abwasserproblematik (Gewerbeabwasser)

In ihrem Entwurf für die Änderung des Bebauungsplans thematisiert die Gemeinde das Problem der Abwässer. Für die im Logistikgebiet entstehenden gewerblichen Abwässer sieht sie keine ausreichenden Kapazitäten in der Kanalisation. Es müsste also ggf. eine neue Kläranlage gebaut werden. Wem die dafür enstehenden Kosten auferlegt werden sollen ist nicht geklärt.

Abwasserproblematik (Oberflächenwasser)

Ob die Kapazitäten für das Oberflächenwasser reichen würden, deren Volumen durch die Flächenversiegelung immens ansteigen würde, ist nicht stimmig geklärt. Im Bebauungsplan sollen entsprechende Auflagen an den Investor definiert werden, der dafür zu sorgen hat, dass bestimmte Einleitungsmengen nicht überstiegen werden. Ob und wie der Investor bei seinen Planungen den Klimawandel und die mit ihm einhergehend zu erwartenden häufigeren Starkregenereignisse berücksichtigt, ist fraglich. Da zudem das Gelände insgesamt angehoben würde, steht zu befürchten, dass sich Fehler, die hier in der Planung gemacht würden direkt in Überflutungen von Hebenshausen und evtl. sogar Niedergandern auswirken.

Durch den Klimawandel werden Starkregenereignisse insbesondere Im Frühling - wie wir sie auch im Jahr 2018 erlebt haben - zur Normalität werden. Schuld an der verherenden Zerstörung, die solche Unwetter auslösen, sind auch die immer größer werdenden versiegelten Flächen und die fehlenden Kapazitäten zur Ableitung uns Speicherung dieser Oberflächenwässer (siehe dieses Video).

Wertverlust von Wohnimmobilien

Die geschilderten negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität könnten zu einem Wertverlust der Wohnimmobilien führen. Gerade wer auf das Land zieht sucht nach Ruhe und Natur. Krach und Luftverschmutzung und ein Gewerbegebiet stehen diesem Ziel entgegen. Dies betrifft insbesondere den dringend nötigen Zuzug junger Familien, die für die Verjüngung und Erneuerung jeder Gemeinde von immenser Bedeutung wären.